Bernkastel-Wehlen. Ein großartiger Schlussakkord noch vor dem offiziellen: Im Kloster Machern war der Starpianist Arcadi Volodos beim Mosel Musikfestival zu Gast. Von Eva-Maria Reuther
Authentisch – das Wort passt wunderbar auf ihn. Wer Arcadi Volodos Spiel zuhört, begegnet nicht nur dem Komponisten und seinem Werk, sondern ganz entschieden auch dem Interpreten und seiner Persönlichkeit.
Im Rahmen des Mosel Musikfestivals war der russische Starpianist im Barocksaal von Kloster Machern zu Gast. Es ist der typische Volodos-Ton der auch an diesem Abend unmittelbar Vertrautheit schafft.
Trier. Trotz Staraufgebots kamen deutlich weniger Menschen als sonst zum Mosel Musikfestival. Der neue Intendant Tobias Scharfenberger will künftig einiges anders machen.
Das Mosel Musikfestival hat eine der spannendsten Spielzeiten seiner Geschichte (fast) hinter sich. Nach 32 Jahren hat erstmals ein anderer als Hermann Lewen das Programm gestaltet: Tobias Scharfenberger. Mit einer neuen künstlerischen Ausrichtung, die elitärer und intellektueller daherkommt als zuvor, mit neuen Kinderkonzerten und neuen, ungewöhnlichen Spielorten.
Eines vorweg: Das hohe musikalische Niveau hat er gehalten. Große Künstler spielten vor Kritikern, die meist lobend bis aus dem Häuschen waren. Die neuen Spielstätten in Holzlager, Druckhalle, Bunker, Kraftwerk, Priesterseminar oder Weingütern kamen beim Publikum bestens an. Aber wie ist es sonst gelaufen? TV-Überschriften wie „Faszinierendes Konzert mit schwacher Resonanz“ legen nahe, dass nicht alles perfekt war.
Trier. Ein eindrückliches Jazzkonzert mit heiter bis ernsten Zwischentönen präsentierten Thomas Quasthoff und Frank Chastenier im Rahmen des Mosel Musikfestivals in der ausverkauften Aula des Robert-Schuman-Hauses in Trier.
Als ihm beim Tod seines Bruders vor sechs Jahren die Stimme versagte und er kurz darauf seinen Abschied als klassischer Sänger ankündigte, ergriff Entsetzen seine Fangemeinde. Gut ein Jahr später stand Thomas Quasthoff wieder auf der Bühne, diesmal als Kabarettist. Allerdings nur für kurze Zeit.
Eigentlich sind die über 170 Zuschauer gekommen, um den 2010 frisch restaurierten Stummfilmklassiker Metropolis von Fritz Lang anzuschauen; sie verlassen das Buszentrum der SWT jedoch als beseelte Konzertbesucher. Was war am Samstagabend geschehen? Das Mosel Musikfestival hatte zum Filmkonzert geladen, diesmal im spektakulären Industriekultur-Ambiente des riesigen Busdepots. Wie bei Stummfilmen üblich, gibt es eine Musikbegleitung, live gespielt, bei Metropolis’ Premiere im Berlin von 1927 vom großen Orchester.
Trier. Ein außergewöhnliches Erlebnis beim Mosel Musikfestival: Barocke Musik, großartiges Puppenspiel, hinreißender Gesang, herrlich gelesene Worte von Shakespeare und dazu ein bisschen vom unvermeidbaren Marx.
Wenn es einen Preis für das schönste Aha-Erlebnis des Kultursommers geben würde, dann ist das der erste Anwärter:
Am Sonntagabend gastierte das Mosel Musikfestival im Trierer Theater und Intendant Tobias Scharfenberger hatte in seiner Begrüßung nicht übertrieben, als er von einem überraschenden Abend sprach. Das Berliner Ensemble der Lautten Compagney rund um Mastermind Wolfgang Katschner, ist äußerst kreativ in der Zusammenstellung seiner Programme rund um die barocke Musik, aber so einen poetisch-humorvollen Abend, wie ihn die rund 450 Zuschauer im Großen Haus erleben durften, gibt es auch bei den Lautten selten. Überschrieben mit „Karl Marx träumt vom Sommer“ – was sich als ziemlich konstruierter Titel erweisen sollte – entwickelt sich schon nach allerkürzester Zeit ein Staunen und Raunen im Publikum.
In Sachen Erinnerung waren auch die vier Musiker, die sich Amarcord Wien nennen, zum Mosel Musikfestival ins Kloster Machern gekommen. Um den Mythos der österreichischen Hauptstadt ging es, die bekanntlich mal eine europäische Musikmetropole war.
Was als heitere musikalische Mythologie angekündigt war, entpuppte sich allerdings als eine mühsam aufpolierte alte Geschichte. Daran konnten auch die Pfeifeinlagen und die bemühte Wiener Schmäh von Moderator Tommaso Huber, nach bewährter Nestroy-Methode „Einen Jux will er sich machen“, nichts ändern.
Die Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars ist ein prachtvoller, aber abgeschotteter Ort der Ruhe mitten in Trier an der Jesuitenkirche. Am Wochenende wurde sie zum ersten Mal Spielstätte für eine besondere Veranstaltung des Mosel Musikfestivals. „The Mara“ hatte sich angekündigt, eines von drei verbliebenen Celli aus der Werkstatt des weltberühmten Antonio Stradivari in Cremona. Das 1711 in der goldenen Phase des Geigenbaumeisters entstandene Instrument hat eine über dreihundertjährige, wechselvolle Geschichte hinter sich, die den deutschen Poeten Wolf Wondratschek (geb. 1948) zu einem im Jahr 2003 erstmals erschienenen Roman inspiriert hatte, der aber immer noch fortgeschrieben wird.
(cst) Vier Mundharmonikaspieler, die die 70 Zuschauer in der Kulturgießerei Saarburg in Verzückung versetzen: Tobias Scharfenberger, Intendant des Mosel Musikfestivals, hat mit dem Engagement des finnischen Quartetts Sväng einen weiteren Höhepunkt in dieser Festivalsaison setzen können. Denn die vier Musiker, die mit einem Instrument auftreten, das aus dem 19. Jahrhundert stammt und viele kennen, aber nur wenige richtig spielen können, erweisen sich als Meister ihres Fachs. Ungewöhnlich ist dabei die Ausführung als Bassharmonika, ein Instrument, bei dem die Stimmzungen in zwei übereinanderliegenden Reihen angeordnet sind und dessen Klang einem Kontrabass oder einer Tuba gleicht.
Intendant Tobias Scharfenberger ist offensichtlich vorher bereits bewusst, dass es sich bei der Musik des 26-Jährigen nicht um Mainstream-Musik handelt. „Er ist wie ein Wein: Man kann ihn mögen oder nicht mögen, man sollte ihn aber unbedingt probieren“, sagt er bei der Ankündigung über den jungen Musiker. Die erste Hälfte seines Programms Softloud spielt Shibe denn auch, wie man einen guten Wein genießt. Quasi Tropfen für Tropfen schenkt Shibe den 50 Zuschauern die einzelnen Töne in der Synagoge ein. Stets hochkonzentriert kommen die Klänge, mit großen Pausen, fein und besinnlich. Jeden Zupfer scheint sich der junge Schotte regelrecht zu erarbeiten. Startet er vor der Pause an der Akustikgitarre sanft und süß, wie er es selbst beschreibt, werden die von schottischen Komponisten stammenden Stücke, die Shibe teilweise selbst arrangiert hat, mit fortschreitender Dauer immer intensiver und bedrohlicher. Dabei sind es nicht die Töne, es sind die Pausen, die seine Musik besonders zur Geltung bringen.
Ein Salon mit MarXperten – auch wenn das Wortspiel etwas bemüht wirkt, kann man sich schon irgendwie vorstellen, was das bedeuten soll: Lasst uns über Karl Marx reden. Muss ja wohl interessant und informativ werden, vor allem, wenn der MarXperte Gregor Gysi heißt, Rechtsanwalt a. D., Politiker a. D., charmanter, witziger und geistreicher Plauderer i. D. (immer noch im Dienst).
Die Hummerfischerei in England war Thema eines der gezeigten Filme des Programms „klingende Utopien – 100 Jahre Bauhaus“ des Mosel Musikfestivals in der Europahalle. Ebenso waren ein Werbefilm zu Nivea-Produkten aus den 1920er Jahren oder ein Scherenschnitt mit dem Titel „Das Ornament des verliebten Herzens“ zu sehen, die vom Bundesjugendjazzorchester (Bujazzo) vertont wurden. Für filmische und musikalische Abwechslung war also gesorgt. Acht ausgewählte Bauhausfilme wurden insgesamt gezeigt. Das Georg Eastman House, in Rochester, New York, das weltälteste Museum der Fotografie mit bedeutendem Filmarchiv, hat die Filme digitalisiert und zur Verfügung gestellt.
Wenn sich die richtige Musik und die richtigen Musiker finden, dann können magische Momente entstehen. So geschehen am Samstagabend in der Pfarrkirche St. Paulin im Trierer Norden bei der Petite Messe solenelle von Gioachino Antonio Rossini und dem Ensemble unter der Leitung von Jochen Schaaf. Eineinhalb Stunden pure Kontemplation und Musikgenuss auf höchstem Niveau in berauschend schönem Ambiente.
Ausgefallen darf ein Konzertabend ruhig mal sein. Auch beim Mosel Musikfestival. Freunde der ungewöhnlichen Blasmusik sind bei Federspiel auf ihre Kosten gekommen. Denn die Eigenkompositionen der siebenköpfigen österreichischen Band sind in keine Rubrik einzuordnen. Da treffen Jazzelemente und rhythmische Abenteuer wie ein 15/8 Takt aufeinander. Zur Musik von Trompete, Posaune und Tuba mischen sich Jodler und Dudler, Klänge der Zither und für den Normalhörer nicht identifizierbare österreichische Lebensweisheiten als vokale Einlagen, die kaum jemand versteht ohne entsprechende Dialektkenntnisse.
Das Berolina Ensemble mit der aus Bernkastel-Kues stammenden Klarinettistin Friederike Roth hat bei seinem Konzert im Leiwener Bürgerhaus am Dienstagabend bereits zum dritten Mal im Rahmen des Mosel Musikfestivals seine musikalische Visitenkarte abgegeben.
In kleinerer Besetzung als wenige Tage zuvor im Kloster Machern und in den Werkshallen der Natus GmbH in Trier haben die jungen Musiker vor 160 Besuchern in der neu errichteten Bürgerhalle erneut zu überzeugen gewusst. Und das mit Stücken von Komponisten, die auch Kennern der Kammermusik nicht unbedingt geläufig sind.
Es war ein äußerst gelungener Abend im Rahmen des Mosel Musikfestivals vor ungewöhnlicher Kulisse. Die Firma Natus, Hersteller von Schaltanlagen, öffnete ihre Hallen für Kammermusik der eingängigen, aber nicht simplen Art – erfrischend präsentiert vom Berolina Ensemble. Hallen, in denen sonst nur zwei Maschinen zu hören sind. Stanzmaschinen, die wie Geschäftsführer Frank Natus erläuterte, voll automatisiert Material holen und verarbeiten – nur noch zwei bis drei Menschen sind zum Bedienen notwendig. Ein Bruchteil der bis zu 600 Menschen, die das Unternehmen ansonsten beschäftigt. Doch zurück zur Musik: Die moderne Halle bildete die passende Kulisse für einen Marx-Abend, auch wenn es nicht um das ökonomische Werk ging, sondern um die Liebe von Karl Marx und Jenny von Westphalen. Um lebenslange Zuneigung, Leidenschaft, Konflikte in der Familie, die heimliche Verlobung, die Hochzeit und tragische Geschehnisse.
Wie beweglich, wie wohlartikuliert, wie gedankenreich kann Bachs Musik klingen! Bariton Thomas E. Bauer gibt der berühmten „Kreustabkantate“ eine Fülle von Feinheiten mit – von Klangfärbungen, von Text-Differenzierungen. Sein Bariton trägt perfekt in der mit 300 Besuchern vollbesetzten Trierer Paulinkirche. Koloraturen beißen sich nicht in sturem Legato fest, sondern klingen leicht und entspannt – so als würde ein Zeichner Linien abschließen und zu neuen Linien ansetzen. Und über allem liegt eine klingende Rhetorik, die in dieser Musik etwas Existenzielles vermittelt.