Konzert? Oper? Was für ein Theater!

Trier. Ein außergewöhnliches Erlebnis beim Mosel Musikfestival: Barocke Musik, großartiges Puppenspiel, hinreißender Gesang, herrlich gelesene Worte von Shakespeare und dazu ein bisschen vom unvermeidbaren Marx. 

Trierischer Volksfreund 17.9.2018


Begeisterter Beifall für ein ungewöhnliches Kulturereignis: Marielou Jacquard (Sopran, r.), Suse Wächter (Puppenspiel), Dominique Horwitz, (Sprecher) und die Lautten Compagney. FOTO: Dirk Tenbrock
Begeisterter Beifall für ein ungewöhnliches Kulturereignis: Marielou Jacquard (Sopran, r.), Suse Wächter (Puppenspiel), Dominique Horwitz, (Sprecher) und die Lautten Compagney. FOTO: Dirk Tenbrock

Wenn es einen Preis für das schönste Aha-Erlebnis des Kultursommers geben würde, dann ist das der erste Anwärter:

 

Am Sonntagabend gastierte das Mosel Musikfestival im Trierer Theater und Intendant Tobias Scharfenberger hatte in seiner Begrüßung nicht übertrieben, als er von einem überraschenden Abend sprach. Das Berliner Ensemble der Lautten Compagney rund um Mastermind Wolfgang Katschner, ist äußerst kreativ in der Zusammenstellung seiner Programme rund um die barocke Musik, aber so einen poetisch-humorvollen Abend, wie ihn die rund 450 Zuschauer im Großen Haus erleben durften, gibt es auch bei den Lautten selten. Überschrieben mit „Karl Marx träumt vom Sommer“ – was sich als ziemlich konstruierter Titel erweisen sollte – entwickelt sich schon nach allerkürzester Zeit ein Staunen und Raunen im Publikum. Es geht eiegntlich um Shakespeares Komödie „Ein Sommernachtstraum“, die großartige Parabel um die Liebe und ihre Zufälligkeiten, um Könige und Elfen und Zauberwesen. Aber die bildet nur das Korsett, den atmosphärischen Rahmen und dann kommt noch viel mehr: Die theatralischen Figuren spielt und liest mit viel Witz und Verve der Schauspieler Dominique Horwitz, es agieren in wechselnden Rollen aber auch das Orchester und die wundervolle Sopranistin Marielou Jacquard, die mit sphärischen Arien verzaubert. Und natürlich der unbestrittene Star des Abends, Suse Wächter mit ihren Puppen. Die spielt, so Ex-Intendant Hermann Lewen, „alle an die Wand“. Recht hat er! Zu Beginn, sicher auch um auf das Trierer Thema einzugehen, hat sie Karl Marx als täuschend echte, kleinkindgroße Handpuppe dabei. Marx grummelt vor sich hin, schimpft auf Geld und Kapital, philosophiert aber auch von der Liebe und all das ist täuschend realistisch. Nicht nur wegen Kostüm, Haaren und Gesichtszügen der Puppen, sondern vor allem aufgrund der großen Kunst von Wächter, die mit der Figur verschmilzt, die Männerstimmen inklusive. Später kommt noch ein schwarzer und ein weißer Michael Jackson hinzu und eine umwerfende Parodie auf den Psychoanalytiker Sigmund Freud, der – entgegen seiner sonstigen Vernunftbegabung – der Musik und dem Gesang völlig erliegt. Seinen Wiener Akzent behält er selbst bei einem englischen Lied bei. Lachsalven im Publikum und großer Applaus für Suse Wächter, die mit feinsinnigen Dialogen und bis ins Detail gesponnenen Schrullen der Puppen-Figuren glänzt.

 

Die Lautten-Compagney darf nicht nur barocke Musik von Purcell, Byrd und Dowland performen, nein, auch die populären Gassenhauer „Ganz in Weiß“ oder „The Lion sleeps tonight“ werden eingebaut und auf Gambe, Laute, Geige, Cello, Flöte und Cembalo – gerne auch mal mit zwei Musikern auf einem Instrument – gespielt. Umwerfend! Auch werden sie in das Schau-Spiel einbezogen, übernehmen Rollen in der Tragödie von Pyramus und Thispe. Niemand ist genau der, der er zu sein scheint, das Ganze ist kein Theaterstück, auch keine Oper oder ein Konzert, es ist eine höchst poetische und humorvolle Mischung aus alledem. Ein Füllhorn voll überbordender Kreativität der großartigen Künstler. Das muss man erlebt haben, um es auch nur ansatzweise zu verstehen, viele Zuschauer lehnen sich einfach zurück und genießen, in den magischen Strudel großer Kunst hineingezogen zu werden.