Weisheit der Bücher und Wohlklang des Cellos

Trier. Ein Instrument als Ich-Erzähler in einem prachtvollen, abgeschotteten Ort? Das gab es am Wochenende in Trier mit „The Mara“. Von Dirk Tenbrock - Trierischer Volksfreund 9.9.2018


Die Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars dient als Spielstätte. Bilder der Künstler waren nicht erlaubt. FOTO: Dirk Tenbrock
Die Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars dient als Spielstätte. Bilder der Künstler waren nicht erlaubt. FOTO: Dirk Tenbrock

Die Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars ist ein prachtvoller, aber abgeschotteter Ort der Ruhe mitten in Trier an der Jesuitenkirche. Am Wochenende wurde sie zum ersten Mal Spielstätte für eine besondere Veranstaltung des Mosel Musikfestivals. „The Mara“ hatte sich angekündigt, eines von drei verbliebenen Celli aus der Werkstatt des weltberühmten Antonio Stradivari in Cremona. Das 1711 in der goldenen Phase des Geigenbaumeisters entstandene Instrument hat eine über dreihundertjährige, wechselvolle Geschichte hinter sich, die den deutschen Poeten Wolf Wondratschek (geb. 1948) zu einem im Jahr 2003 erstmals erschienenen Roman inspiriert hatte, der aber immer noch fortgeschrieben wird.

 

Die unglaubliche Story – inklusive Totalschaden nach einem Schiffsuntergang und der Höhen und Tiefen der mehr oder minder virtuosen Besitzer – wird aus der Sicht von Mara erzählt. Das legendäre Instrument nimmt die Rolle des Ich-Erzählers ein. Wondratschek liest also an diesem Ort des Wissens inmitten von Büchern aus seinem Buch, und dazu erklingt Mara mit Musik von Johann Sebastian Bach und Benjamin Britten; gespielt vom jetzigen Besitzer, dem Schweizer Virtuosen Christian Poltéra. „Ein italienisches Instrument aus dem 18. Jahrhundert mit Musik eines Engländers aus dem 20. Jahrhundert, gespielt von einem Schweizer im 21. Jahrhundert, das ist wahre Vielfalt“, sagt Wondratschek, nachdem das mystische Instrument bei Poltéras virtuosem Spiel sein ganzes Potenzial hören lassen konnte: Warm und hell, scharf und streng, sonor und reich kann das klingen.

 

Die 105 Zuschauer (mehr waren nicht zugelassen) verharren in andächtiger Stille. Wondratschek erzählt auch einige Anekdoten: Mara hasst, wie alle Celli, Katzen, die an ihnen herumkratzen. Feine Ironie des Schicksals dabei ist, dass zu Zeiten eben auch Katzendärme als Cellosaiten benutzt wurden.

 

Christian Poltéra behandelt das über sechs Millionen Dollar teure Instrument mit gelassener Konzentration und kontrollierter Leidenschaft. Das Cello konnten die Besucher live erleben, ein kostbares und seltenes Erlebnis, den wunderbaren Roman Mara kann man aber mit einiger Mühe – Neuauflage ist in Planung – noch erwerben.

 

Zum Abschluss gab es dankbaren, großen Applaus des Publikums für diese einmalige Chance in Trier.